Zwei Faktoren für mangelnde Geschlechtergleichstellung

Ein Kommentar von Marie Louise Stöger.
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Marie Louise Stöger © Privat
Im Rahmen meiner Ausbildung Agrar- und Umweltpädagogik an der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik haben wir uns mit unterschiedlichen Fragestellungen auseinandergesetzt, die uns auch zum persönlichen Reflektieren angeregt haben. Eine zentrale Fragestellung war: wie schaffen wir es, dass Frauen in Führungspositionen in den land- und forstwirtschaftlichen Organisationen ankommen und anerkannt werden? Schließlich wird ein Drittel der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe von Frauen geführt und das spiegelt sich kaum in den Gremien und Organisationen wider.
 
Das ist eine sehr spannende Frage, die mich als junge Frau natürlich beschäftigt. Ein ausgeglichenes Genderverhältnis wäre wünschenswert, nicht nur in der Landwirtschaft, sondern in allen Positionen, vor allem Führungspositionen. Für mich spielen da zwei Faktoren eine wichtige Rolle. Überspitzt formuliert: zum einen, dass die Gesellschaft Frauen nicht genügend wahrnimmt, wertschätzt und sich das auch in der Entlohnung widerspiegelt, auf der anderen Seite, dass sich Frauen selbst nicht genug zutrauen.

Faktor 1 Gesellschaft schätzt Frauen nicht

Leider ist es immer noch ein Thema, dass Frauen nicht der gleiche Respekt, die gleiche Wertschätzung und das gleiche Vertrauen entgegengebracht wird wie einem Mann in der gleichen Position. Wenn man die Männer fragt, werden sie es abstreiten, aber jede Frau hat diesen Unterschied zwischen den Geschlechtern sicher schon einmal gespürt. Ich denke, das hat viel mit der traditionellen und veralteten Einstellung zu tun, in der Frauen keine Stimme hatten. Man muss sich nur die Geschichte anschauen, wie viele Pseudonyme es in literarischen Werken gab, wie oft ein Werk (Musikstück, Kunstwerk, Kunsthandwerk, ...) als das des Ehemannes ausgegeben wurde. Frauen haben schon immer einen fundamentalen Beitrag zur Gesellschaft geleistet - in jeder Hinsicht - und damit meine ich nicht “Kinder kriegen“. Aber genau da liegt das Problem. Man wurde zur Hausfrau und Mutter degradiert, was dazu geführt hat, dass man diese Stellung in der Gesellschaft nicht verdient. Obwohl ich der Meinung bin, dass jede Frau, die Mutter ist, den höchsten Respekt verdient und ein Upgrade in der Gesellschaft angemessener wäre als ein Downgrade.
 
Dieser Status macht es Frauen in Organisationen und Gremien schwer überhaupt Fuß zu fassen. Denn wenn eine Kandidatin noch keine Mutter ist, heißt es: Mal sehen, wie lange sie noch da ist, bevor sie schwanger wird und dann kommt sie nur in Teilzeit zurück, also wozu in dieses Arbeitsverhältnis investieren. Hat sie aber schon Kinder und will trotzdem Vollzeit arbeiten, heißt es: Bald kommt noch eins, die Kinder werden krank, dann braucht sie Pflegezeit, macht keine Überstunden und ist trotzdem eine Rabenmutter. Als Frau muss man sich nach der Familienplanung seinen Job verdienen, vor allem, wenn man (wieder) in höhere Positionen aufsteigen will.

Dieses Bild ist leider immer noch sehr stark in den Köpfen verankert, sowohl bei Männern als auch bei Frauen.

Faktor 2 Unterbewusster Einfluss der Gesellschaft auf Frauen

Das geht mir persönlich sehr nahe. Ich bin gerade 26 Jahre alt geworden und spüre diesen gesellschaftlichen Druck schon seit meiner Schulzeit. Damit meine ich, eine gute Ausbildung zu haben, am besten einen Master, mindestens 2-  4 Jahre Vollzeit zu arbeiten, bevor man Kinder bekommt, aber am besten gar nicht schwanger zu werden. Trotzdem muss man um einen Job kämpfen, weil man im gebärfähigen Alter ist. Doch bis es so weit ist, hat man die Muster der Herabsetzung der Frau bereits verinnerlicht. Von klein auf werden Mädchen auf ihr Äußeres reduziert und Jungen für ihren Mut gelobt. In der Schule wird das deutlich. Fragt man einen Burschen direkt nach der Schularbeit: "Und wie war's?", bekommt man ein klares "Leicht, hab sicher alles richtig gemacht" zurück. Fragt man ein Mädchen, bekommt man zur Antwort: “Puh, mal sehen, ich glaube, das war nicht so gut“. Oft ist es genau umgekehrt.

Das ist genau das, was meiner Meinung nach auch fehlt, wenn es um Führungspositionen geht. Frauen müssen gestärkt werden, dass sie sich mehr zutrauen. Gerade in der Landwirtschaft, die ja sehr stark im ländlichen Raum ist, sind diese alten Strukturen noch sehr stark in den Köpfen verankert.

Meine Lösungsansätze zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen in der Landwirtschaft wären:

  • Schon in der Schule und Ausbildung ein starkes Auftreten als Frau üben und sich seiner Stärken bewusstwerden. Dazu braucht es innovative Lehrkräfte, die Podiumsdiskussionen, Rollenspiele, Präsentationen, Mentaltraining etc. anbieten, damit man in einem geschützten Rahmen üben kann.
  • Weiterbildungskurse zu diversen Themen dieser Art wären über das LFI sinnvoll anzubieten, um Kompetenzen zu vermitteln, die es ermöglichen, sich auch als Frau stark und selbstbewusst zu fühlen
  • Gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit, evtl. auch mit Anrechnung der Karenzjahre als Dienstjahre (ich kenne mich mit dem Gehaltsschema leider nicht aus)
  • Karenz für Väter stärken - ein sehr kritischer Punkt, denn theoretisch ist es möglich, praktisch aber selten. Daher sollte dies unbedingt von den Arbeitgebern (evtl. auch von den Frauen) und vom Staat gefördert werden
  • Frauen vergleichen sich gerne, daher könnten auch Werbekampagnen (Social Media, Dokumentarfilme, Plakate, Podcasts etc.) mit Frauen in Führungspositionen als Vorbild und Inspiration dienen.
  • Jeder Einzelne müsste etwas tun, um das Image von Frauen zu verbessern. Leider kann man das nicht fördern, denn das muss aus Überzeugung kommen, daher fällt mir nur “Frauenförderung“ im Sinne von Geldprämien ein, was aber auch ein Schuss nach hinten sein kann.
 
Frauen sind stark. Ich glaube, den größten Erfolg und Ansporn erreicht man durch die individuelle Förderung von Frauen durch Weiterbildungen, Trainings, Workshops und vor allem durch die Inspiration von anderen Frauen. Mein Lehrer in der Oberstufe hat uns Mädchen immer ermutigt. Er hat gesagt: “Schlagt Euch nicht unter Wert und zeigt Eure Stärken.“ Das ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben und ich versuche immer wieder, auf diesen Mut zurückzugreifen.

Ich würde mir sehr wünschen, dass die Gesellschaft Frauen gleich behandelt, keinen Druck ausübt und man mit dem gleichen Aufwand die gleichen Ziele erreichen kann wie Männer.